Kapitel 1 – Eisige Weiten
Training
Kitty:
Die Geschichte von Angus McFife beschäftigt mich noch lange nachdem er sie erzählt hat. Ein ganzer Clan der Spacer, der vor Jahren ausgezogen ist um selbst einen Planeten zu besiedeln. Mit Erfolg, muss man dazu noch sagen. Eine kleine, gedeihende Kolonie auf einem nicht sonderlich freundlichen Planeten. Mir stellt sich die Frage, ob irgendjemand das Schicksal dieser Menschen verhindern hätte können. Die dunkle Wendung der Geschichte ist ein unerwartete Angriff, geführt von einem Wesen das nur als Zargotryx bezeichnet wird. Die Kolonie mit dem klingenden Namen Dundee wurde an nur einem Tag völlig ausgelöscht.
Nachdenklich starre ich an die Decke meines Quartiers. Das Feuer in den Augen des Menschen, als er trotz seines geschwächten Zustands schwört, Rache an Zargotryx zu üben. Fast wäre er aus dem Bett gesprungen. Nachdenklich schaue ich zu Nyla, welche über den Text auf ihrem Tablet zu brüten scheint. „Was meinst du zu der ganzen Geschichte?“, frage ich sie. Die Raktari hebt den Kopf ein wenig, lächelt leicht und antwortet: „Es klingt wie der Anfang vieler Legend. Erinnerst du dich noch an die Geschichten über die Jagden der Raktari?“ Ich nicke. Natürlich kann ich mich an diese unglaublichen Geschichten erinnern, die in keiner Weise den Legenden der alten Erde oder auch neueren Mythen vom Mars hinterherstehen. Nyla atmet tief durch. „Seit die letzte Jagd in Yharnam ausgerufen wurden, sind Jahrhunderte vergangen. Vielleicht ist es Zeit, wieder zur Jagd zu rufen.“
Kopfschüttelnd schaue ich zu der Tigerin. „Es sind Legenden, Nyla. Das Wenigste davon ist wahr.“ Doch sie lächelt nur, wissend oder mitleidig. Manchmal ist ihr unerschütterlicher Glaube in die Göttin ihres Volkes einfach nur nervenaufreibend. „Zumindest Yharnam ist keine Legende. Die Stadt befindet sich auf dem Urwaldplaneten Crystos“, wirft die Raktari nach einer kurzen Pause ein. Schmunzelnd drehe ich mich auf den Bauch. „Lassen wir uns überraschen.“
Es vergehen einige Tage, die wir nur mit routinemäßigen Patrouillen verbringen. Nichts wirklich Aufregendes nachdem die Piraten aus der Festung verscheucht wurden. Außerdem macht die Anwesenheit der Todesklaue im Orbit das die Überwachung viel einfacher. Ein wenig scheint die Anspannung in der Basis allerdings gestiegen zu sein, seit eine doch ansehnliche Anzahl von Raktari sich zu uns gesellt haben. Die Kriegerinnen halten sich zwar generell zurück und es gibt auch keinen Grund, ihnen auch nur irgendwie etwas Schlechtes zu unterstellen, aber zugleich scheinen sie einfach lieber unter sich zu bleiben. Nur Nyla scheint ihr Interesse immer wieder auf sich zu ziehen. Im Gegenzug sehe ich sie dafür immer wieder, wie sich die Gruppen ihres Volkes fast sehnsuchtsvoll beobachtet.
Gerade befinde ich mich mit Nyla in einem Trainingskampf, als sich die Türen zu dem Raum öffnen und neben den Katzendamen auch ein ganzer Schwung von Menschen hereinkommen. Wir halten Beide in der Übung Inne. Neugierig schauen wir zu der Ansammlung. Ein der Kriegerinnen tritt vor. Sie ist noch ein ganzes Stück größer als Nyla. Die schwarzen Streifen auf dem bläulichen Fell sehen aus wie tanzende Schatten. Mit vor der Brust verschränkten Armen sagt sie: „Lasst Euch nicht stören. Wir sind nur hier um zu sehen, ob es wahr ist, dass ein Mensch mit einer Raktari mithalten kann.“ Ihre Stimme klingt dabei amüsiert, fast erheitert. Zugleich sagt mir der Blick der Soldaten, dass sie die Sache wohl ziemlich ernst zu nehmen scheinen.
„Wir trainieren normalerweise unter uns“, meine ich vorsichtig während mir zugleich recht bewusstwird, dass ich in meinem Trainingsoutfit etwas mehr Haut zeige als üblich. Immerhin besteht es eigentlich nur aus einem schwarzen Sport Top sowie einer knappen Hose. Dazu trage ich nur einfache Schuhe. Die Haare habe ich in einem, strengen Zopf nach hinten gebunden. Nyla trägt fast dasselbe, nur ohne Schuhe. Sie zuckt leicht mit den Ohren. „Ich halte es nicht für eine sehr freundschaftliche Geste, jemanden so Herauszufordern“, gibt sie leise knurrend von sich. Anstatt aber eine Antwort von der Raktari zu bekommen, antwortet der Leutnant der Ulfsarks leicht grinsend: „Es ist mehr eine freundschaftliche Wette, auch wenn unsere felinen Freunde hier das Ganze ein wenig zu ernst nehmen. Scheinbar ist das Konzept des Wettstreits unter verschiedenen Einheiten in einer Armee ihnen nicht unbekannt, auch wenn sie es ein wenig anders austragen. Wir haben eigentlich nur behauptet, dass Nikitin sie beeindrucken könnte.“ Nun ist es an mir mit den Ohren zu zucken, wäre ich dazu anatomisch in der Lage. Da dies nicht so ist, lege ich den Kopf nur leicht schief. Anschließend schaue ich fragend zu Nyla.
Diese scheint kurz zu überlegen, ehe sie nickt. „Na gut. Aber ich will schwer hoffen, dass zumindest um etwas Brauchbares gewettet wurde“, stimme ich zu, ehe ich auch schon zu dem Übungsschwert greife. Zwar bin ich von den vorherigen Runden bereits verschwitzt, aber nicht so stark verausgabt, dass ich Nyla nicht zumindest ein wenig in Bedrängnis bringen kann. Mit der ihrem Volk eigenen katzenartigen Eleganz nimmt meine Trainigspartnerin ihre erste Position ein. Das Schwert fest in der Pfote, beobachtet sie mich mit ihren Katzenaugen eingehend. Nur das leichte Zucken von Nylas Schnurrhaaren verrät ihre Bereitschaft, jederzeit auf meinen Angriff zu reagieren. Gelassen nehme ich einen sicheren Stand ein und halte die Übungswaffe direkt vor mich, beide Hände fest um den Griff gelegt.
Ruhig starren wir uns gegenseitig in die Augen, bevor ich dann zum Angriff übergehe. Ein kräftiger Satz bringt mich nach vorne um mit dem Schwung direkt nach Nylas zu schlagen. Die Raktari weicht einen Schritt nach hinten, ehe ihre Waffe in meine Richtung schwingt. Beinahe kunstvolle lasse ich ihre Klinge über meine nach unten Gleiten, bevor ich mich um meine eigene Achse drehe, um einen Angriff von der Seite durchzuführen. Doch Nyla ist einfach zu schnell. Ihr Übungsschwert blockiert mit einem dumpfen Knall meinen Angriff. Die Wucht des Zusammenpralls fühle ich bis in die Schulter. Davon lasse ich mich aber nicht aufhalten.
Es folgen ein paar halbherzige Schlagfolgen, die nur dazu dienen die Verteidigung zu prüfen. Erst dann bringt Nyla eine Finte an. Sie täuscht einen Angriff gerade von oben an, aber ihre ganze Haltung deutet auf einen Schlag von der Seite hin. Ein leichtes Grinsen kann ich mir nicht verkneifen, als ich meine Waffe fester umgreifen und mich auf den seitlichen Hieb einstelle. Wie zu erwarten beginnt die Raktari mit dem Hieb über den Kopf, anstatt aber diesen durchzuziehen, zieht sie weit an meiner rechten Seite vorbei. Überrascht starre ich sie an, als sie den Schwung für eine Drehung benutzt und das nun von rechts unten auf mich zu saust. Ein Schritt und ein weites Beugen nach Links bewahrt mich gerade so davor, die Wucht des Angriffes zu spüren. Stattdessen spüre ich nur den Wind auf meine Haut.
Ich atme gerade erleichtert aus, als ich fühle wie mir die Beine unter dem Körper weggezogen werden. Durch meine Ausweichbewegung habe ich Nyla die Möglichkeit gegeben mich völlig aus den Gleichgewicht zu bringen und natürlich nutzt sie das sofort aus, indem sie mir die Beine wegtritt. Gerade noch so schaffe ich es, mich davor zu bewahren, direkt mit dem Gesicht auf die Matte aufzuschlagen. Dann fühle ich auch schon die Übungswaffe an meinem Hals. Grummelnd gebe ich zu: „Gut, du hast gewonnen.“ Mit einem überaus zufriedenen Gesichtsausdruck reicht mir Nyla die Hand um mich aufzurichten. Bevor wir allerdings eine Chance haben, zu erfahren was die Raktari von meiner Leistung halten mögen, erklingt die Stimme von Birky: „Nyla und Nikitin sofort im Kommandozentrum einfinden!“ Ich zucke kurz mit den Ohren, bevor ich mir zumindest den gröbsten Schweiß von der Stirn wische.